Stumme Zeitzeugen
Steinkreuze und ihre Hintergründe
Der Heimatverein Mündling hatte zu einem Vortrag eingeladen und konnte zu diesem besonderen Thema den Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler gewinnen. Eingangs berichtete Josef Wenninger von mehreren Steinen in der Flur, die meist Grundstücksgrenzen markieren. Das ehemalige „Weiße Kreuz“ am Ortsrand Richtung Fünfstetten sei im Jahre 1870 durch ein Holzkreuz ersetzt worden.
Der erste Vorsitzende Martin Gehring begrüßte die Anwesenden, zu dem auch einige Interessierte vom Patenverein Ebermergen gekommen waren.
Bei einer Zählung der Steinkreuze und Kreuzsteine im Ries wurden 1938 noch dreissig Exemplare festgestellt. 1967 ermittelte der damalige Kreisheimatpfleger Karl Höpfner nur noch neunzehn Sühnekreuze. Der Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler ist seit 1990 im Amt. Nach mühevollen Recherchen, mit Hilfe von Presseveröffentlichungen und durch Hinweise aus der Bevölkerung existieren mit dem Stichtag Oktober 2000 nun vierundzwanzig Exemplare dieser Gattung.
Dettweiler veranschaulichte seinen Bericht mit Lichbildaufnahmen. „Als Zeugen längst ver-gangener Zeiten stehen die Steinkreuze und Kreuzsteine unverrückt an ihrem Platz, oft versteckt im Wald oder in einer Hecke, manchmal auch mitten im Dorf, wie in Herkheim oder in Schopflohe. Zwanzig dieser mittel-alterlichen Kreuze und vier Kreuzsteine gibt es noch in unserem Ries zwischen Pflaumloch im Westen, Wemding und Oberappenberg im Osten, Schopflohe im Norden und Mönchsdeggingen im Süden des schwäbischen Donau-Ries-Kreises. Kaum jemand weiß noch um die genaue Herkunft und die Bedeutung der „Sühne-, Franzosen- oder Schwedenkreuze“, die früher eine besondere Rolle in unserem Schwäbisch-fränkischen Raum gespielt haben. Aus dem Material unserer Gegend sind sie gehauen, meist aus Kalk- oder Tuffstein, aber auch Sandstein wurde verarbeitet. Trotz der durch das hohe Alter witterungsbedingten Schäden läßt sich noch erkennen, dass Laien diese Steine bearbeitet haben. Unförmig und ungleichmäßig stehen sie oft eingesunken oder schräg in der Landschaft und erinnern in den meisten Fällen an ein Verbrechen, Mord und Totschlag, die einmal geschehen sind.
Glücklicherweise existieren in unseren Archiven noch einige der Verträge, die seinerzeit ausgefertigt wurden und die das „Sühneverfahren“ regelten. Auch für das Ries sind noch zwei solcher Urkunden vorhanden, eine aus dem Jahre 1548, einen Totschlag auf dem Wege zwischen Wallerstein und Ehringen betreffend, die andere stammt aus dem Jahre 1449: Konrad Maurer und dessen Sohn erschlugen den Schuhmacher Jakob Oettinger aus Mündling. Die Täter und die Angehörigen des Ermordeten verglichen sich in einem Sühneverfahren und wählten Wolfgang von Hoppingen, Fritz von Waldt und Hans Beßmair zu Richtern.
Fünfzig Seelenmessen mußten in der Pfarrkirche zu Mündling gelesen und sechsundfünfzig Pfund Wachs gegeben werden und zwar zwanzig Pfund für die Pfarrkirche in Mündling, zehn Pfund für St. Barbara gen Harburg, 5 Pfund in das Gotteshaus gen Sulzdorf, fünf Pfund für St. Jakob gen Appetshofen und sechs Pfund für St. Emmeran gen Wemding. Drei Wallfahrten waren weitere Bußen: Der Vater Konrad Maurer mußte nach Rom und Aachen, der Sohn Konrad nach Einsiedeln „Zu unserer lieben Frau“ pilgern. Desweiteren zur Vervollständigung der Strafe die Errichtung eines Sühnekreuzes „4 Werkschuh ob der Erde hoch“ (dies entspricht ca. 108 Zentimeter) und die Zahlung von 60 rheinischen Gulden in drei Fristen und die Auflage, daß dies alles innerhalb eines Jahres zu geschehen habe.
Die Kreuze kommen in den verschiedensten Formen vor. Am häufigsten ist das „lateinische“ Kreuz, bei dem der Querbalken im oberen Drittel angebracht ist. Die „griechische“ Form hat gleichmäßig lange Balken. Bei dem „gotischen“ Kreuz enden die Querbalken jeweils in Kleeblatt-form. Fast die Hälfte der Steinkreuze ist bereits so stark zerstört (ein Arm ist abgebrochen oder wurde von einem Pflug erfasst), so daß nur noch von einem „Torso“ gesprochen werden kann.
Der Name des Toten und die Ursache für die Errichtung eines Kreuzes gerieten nach einiger Zeit in Vergessenheit. Jedoch nach mündlichen Überlieferungen setzten sich im Laufe der Jahrhunderte die Sagen fort.
Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden die ersten staatlichen Strafgesetze, von dieser Zeit ab gehört auch das Aufstellen von Sühnekreuzen der Vergangenheit an. Die Sühnekreuze sollten den Vorbeikommenden jedoch weiterhin dazu auffordern, für den Verstorbenen zu beten.
Steinkreuze und Kreuzsteine, Grenzsteine und Gedenksäulen zählen zu den stark gefährdeten Bodendenkmälern unserer Zeit, da sie ihre Bedeutung im alltäglichen Leben meistens verloren haben. Viele sind unwiederbringlich abhanden gekommen. Manchmal erinnert wenigstens noch ein Flurname an den früheren Standort. Sie zu schützen, gehört zu den dringlichsten Aufgaben des Heimtpflegers. Alle Land- und Forstwirte, Spaziergänger die in der Natur Beobachtungen machen, daß Steinkreuze gefährdet sind oder Grenzsteine heraus gerissen wurden, mögen sich ihrer Bürgerpflicht erinnern und das Gesehene melden.“
Über diese Bodendenkmäler der besonderen Art hat der Referent übrigens ein Buch geschrieben. Es beinhaltet alle Kreuze mit Bild und der dazu gehörigen Geschichte.
Gehring dankte Herbert Dettweiler und überreichte ihm das Mündlinger Dorfchronikbuch.